übertragen von Josella Simone Playton und Herwig Huener


Diese Geschichte haben wir auf einigen vergilbten Bladln gefunden, die dem ebenso vergilbten Buch Die Gilkenheide beilagen. Sie ist seinerzeit abgedruckt worden in

Die Brücke
Zeitschrift für die Schulgemeinde der Städtischen
Mittelschule in Celle
14. Jahrgang, Dezember 1938, Nummer 3

Ob wir zur Internet-Wiedergabe berechtigt sind, wissen wir nicht genau - da aber Heinrich Hüner seinerzeit diese Zeitschrift ganz wesentlich mitgestaltet hat, gehen wir davon aus, daß es so ist.

Den Bericht über die Seidenraupenzucht haben wir weggelassen, aber die dann folgenden Abschnitte sind vielleicht interessant, besonders für die heute lebenden Verwandten der erwähnten Personen. Deshalb haben wir diese Abschnitte auch mit übernommen.


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Wölfe zu Weihnachten

Von Heinrich Hüner

Im Rosebruch, mitten in der Heide, gab es noch Wölfe, viele sogar. Ließen sie sich auch im Sommer und Herbst, wenn ihr Tisch reich gedeckt war, nicht allzuoft sehen - im Winter, sobald ein weißes Laken alles einhüllte, hatte das hungrige Volk wenig zu beißen, und darum bekamen die Menschen um diese Zeit mehr von dem unerwünschten Gesindel zu Gesicht, als ihnen lieb war.

Man schrieb das Jahr 1757, war allerdings schon ziemlich bis ans Ende desselben gekommen, hatte aber herzlich wenig Freude daran. Von manchem Jahr ging mit Recht die Rede: Ende gut, alles gut; doch diesmal war das Ende alles andere als gut.

Den Franzosen hatte man im Lande und wußte ihn fürs erste nicht wieder los zu werden. Dazu kam kurz vor Weihnachten eine Bärenkälte, daß man mit schweren Frachtwagen quer durch das Rosebruch fahren konnte, über alle Gräben, Tümpel und Moorkulen hinweg, ohne ein einziges Mal einzusinken.

Nachts hörte man das Eis krachen, als ob Kanonenschüsse gelöst würden. Ja, wer wußte auch, ob es nicht wirklich solche waren, raunte man doch davon, daß es bei Celle etwas gesetzt haben sollte zwischen den Hannoveranern und den Franzosen. Huh, jetzt bei dieser krachenden Kälte wollte man Krieg führen? Das war doch sonst niemals geschehen.

Nur die Wölfe waren es zufrieden, daß die Menschen aufeinander losgingen; denn dabei fiel zunächst etwas ab für ihren immer leeren Magen, und dann ließ man sie auch mehr in Ruhe.

Das Rosebruch mußte dem Dorfe Tewel Holz hergeben für das Feuer auf den offenen Herdstellen im Flett und für die eisernen Oefen in den Dönzen. Man schlug die Bäume im Winter bei Frostwetter, und dazu hatte man seine besonderen Gründe.

Bei klingendem Frost trugen in dem grundlosen Gebiet zunächst alle unsicheren Stellen, und man konnte gehen und fahren, wohin man wollte. Dann aber waren gerade um Weihnachten herum sehr viele Arbeiten verpönt. Es war die Zeit der hilligen Nächte, und zwölf Tage lang durfte man nur gewisse Arbeiten, zu denen aber auch das Holzfällen gehörte, in Angriff nehmen. In diesen Tagen herrschte nämlich der Heljäger in den Lüften, und mit dem mochte man es nicht verderben. Er wollte keine offenen Stalltüren sehen, sonst ließ er ein weißes Tier in den Stall hinein, und man mußte ein ganzes Jahr lang das unheimliche Vieh füttern. Kein Dünger durfte gefahren werden; man sollte nicht Heide zur Streu holen; am besten ließ man sich auf dem Felde

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gar nicht sehen. Auch im Hause waren gewisse Arbeiten nicht erwünscht; nicht einmal Buchweizen- und Hafergrütze durfte man mahlen, und selbst die Frauen stellten am besten Spinnrad und Haspel und Waschtubben in die Ecke. Hing Wäsche draußen, so gab es bestimmt im nächsten Jahre eine Leiche im Hause.

Was wollte man also im Hause anfangen? Da war es dann schon besser, man zog ins Rosebruch und vollbrachte eine Arbeit, über die sich der Heljäger nicht erzürnte. So hatte man sich denn auch im Jahre 1757 rect frühzeitig entschlossen, dort Bäume und Buschwerk zu bauen. Doch ging man in diesem Jahre nicht einzeln ins Rosebruch, war doch das Wolfspack eben zu unverschämt geworden.

Sogar bei den Schafställen am Rande des Bruchs hatten sich die wilden Bestien sehen lassen,versuchten zwischen den nicht sehr dicht liegenden Feldsteinen des Fundaments ihren abgemagerten Körper hindurch zu zwängen, waren dann aber auf eine mächtige Düngerlage gestoßen, die den ganzen Winter über nicht weggefahren wurde, und so entging ihnen der ersehnte saftige Schnuckenbraten. Ja, es hieß vorsichtig sein, wenn man ins Bruch schritt. -

Zwei junge Knechte kehrten am Tage, der dem Weihnachtsfeste vorherging, sehr frühzeitig aus dem Bruche heim; man wollte doch noch den Christabend feiern. Als sie einen Richtweg einschlugen, der im Sommer nicht gangbar war, trafeb sie zu ihrer Ueberraschung auf zwei sich balgende junge Wölfe, die für einen Augenblick von der Mutter alleingelassen, jede angelernte Sicherung in den Wind geschlagen hatten. Sie mochten sich wohl in unmittelbarer Nähe ihres ständigen Lagers befinden. Die beiden Knechte schlichen, als sie die jungen Wölfe erblickten, vorsichtig näher, und bevor die Tiere ihre Feinde witterten, waren sie von den mit kräftigen Eichhestern bewehrten Männern niedergestreckt.

Den jungen Burschen lachte das Herz im Leibe, als sie die beiden gefällten Tiere vor sich sahen. Diese wenigstens wuchsen nicht mehr zu großen Räubern heran. Aus den dichten Wolfspelzen war aber wohl noch etwas zu machen, und so banden denn die Knechte den Wölfen die Läufe zusammen, und bald baumelten die Tiere an den Eichenknüppeln, die die Männer auf der Schulter trugen.

Unter lustigen Klönen schritten die beiden Burschen dahin. Plötzlich blieb Janhinnerk, der eine der Knechte, stehen: "Wenn nun aber die alte Wölfin wittert, was wir getan haben -! Meinst du, die läßt sich das stillschweigend gefallen?"

Krischandierk sah seinen Weggenossen zweifelnd an: "Ich glaub's kaum. Na, kommt sie allein, dann ist das ja nicht weiter schlimm. Aber wenn sie ihre ganze Verwandtschaft mitbringt -!"

"Und wir haben nichts als unsere Knüppel!"

"Ja, da müssen wir schon munter lospedden!"

Im geschwinden Schritt gings vorwärts, aus dem Rosebruch heraus, und dann über die Feldflur des Dorfes Tewel, die nach den Höfen zu allmählich anstieg.

Die Knechte hatten einen Anberg erreicht und sahen nach dem Bruch zurück. Bewegte sich dort, woher man gekommen, nicht eine Schar Hunde im eiligen Lauf? Trabten sie nicht auf demselben Weg, den die jungen Burschen genommen hatten?

"Die Wölfe!" schrie Janhinnerk.

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"Das Pack kommt!" rief auch Krischandierk.

Jetzt hieß es laufen; denn was sollten die jungen Menschen gegen das Rudel der zornigen und vom Hunger gepeinigten Wölfe anfangen!

Der Hof, auf dem die Knechte in Dienst standen, lag zwar am Anfange des Dorfes; aber noch war ein Weg von mehreren Ackerstückslängen vor ihnen, bis sie in den Schutz der Gehöfte kamen. Der Raum zwischen den flüchtenden Menschen und ihren Verfolgern wurde ständig kleiner; doch die Burschen gaben die letzten Kräfte her, wußten sie doch, daß sie um ihr Leben liefen.

Da, der Hofzaun war erreicht. Hinüber über den Stegel! Rasch die paar Schritte bis zum Hause zurückgelegt! Die Blangentür aufgerissen, und hinein ins Haus!

Noch war die Tür nicht wieder ins Schloß gefallen, als schon die alte Wölfin über den Stegel sprang. Einen Augenblick später prallte sie in ihrer Wut gegen die Tür. Um ein Haar wär's den jungen Menschen ans Leben gegangen.

Die Wölfe blieben vor der Tür auf der Lauer und stießen ein langgezogenes Geheul aus, dem die Hunde im Haus antworteten.

Gleich darauf öffnete sich die obere Hälfte der Blangentür; ein Büchsenlauf wurde sichtbar, und ein Feuerstrahl fuhr heraus. Der Bauer hatte die Wölfin aufs Korn genommen, und diese wälzte sich denn auch am Boden. Die anderen Wölfe verließen darauf den Hof und trabten ins Rosebruch zurück, verfolgt von den wütenden Hofhunden, die sich nicht hatten halten lassen. Keiner von ihnen kehrte zum Hofe zurück.

Als die jungen Burschen nach ihrem Lauf ums Lebe wieder zu Atem gekommen waren, erzählten sie haarklein ihre Erlebnisse und wiesen ihre Jagdbeute vor, die sie selbst in der tollsten Hatz nicht im Stich gelassen.

Die Mädchen hatten inzwischen an der pechschwarzen Wand hinter dem offenen Feuerherd im Flett aus weißen Sande den Baum hergestellt, der bei keinem Fest fehlen durfte, hatten auf dem mit kleinen Steinchen gepflasterten Boden des Fletts die Muster gestreut, ebenfalls mit weißen Sande, und nun gings's ans Mahl des heiligen Abends: Braunen Kohl mit Speck und Bregenwurst. Man hatte zwar nicht nötig, schon am heutigen Abend soviel zu essen wie acht Tage später am "Vullbuksabend", wo ein mächtiger Eberkopf mit allem Zubehör an die Reihe kam; aber alle Ehre wurde auch dem heutigen Festmahl angetan.

Nachher zündete man Kerzen an, gezogen aus dem Wachs der Bienen des eigenen Immenzauns; es war doch das Fest der Lichter. Der Bauer wußte zu erzählen, daß man in einigen Gegenden die Lichter an einen grünen Tannenbaum steckte; doch das war hier nicht Gebrauch.

Dann bekam jeder seinen Teller voller Aepfel, Nüsse und brauner Kuchen, und jeder Knecht und jede Magd erhielt einen ganzen Butterkuchen, der aber mitgenommen und ganz nach Belieben verzehrt wurde. Der Teig zu dem braunen Kuchen hatte fast vier Wochen unter der Bank gestanden, und dann formte man aus ihm Kinjes, Pferde, Reiter, Eber und dergleichen Figuren. Die Geschenke waren mit den Dienstboten schon beim Mietsvertrag genau abgemacht und bestanden bei den Knechten aus Strümpfen, Hemden und Arbeitskleidung; bei den Mägden spielten Leinenpacken und Schürzen die wichtigste Rolle. Alles wurde scharf gemustert und geprüft. Die Kinder erfreute man auch mit Handschuhen, Strümpfen und ähnlichen Sachen; doch hatte das kleine Hannchen richtig zwischen

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seinen Sachen ein kleines Püppchen, das die Mutter verfertigt, entdeckt, und Hans mußte gleich ein kleines Steckenpferd in Betrieb setzen.

Man sang dann noch: "Nun singet und seid froh!" Doch behauptete Minna, die Großmagd, Janhinnerk habe das Singen sicher bei den Wölfen gelernt. (Das Weihnachtsevangelium hörte man am ersten Weihnachtstage in der Kirche.)

Vor dem Zubettgehen trat man noch einmal hinaus und schaute hinauf zu den unzähligen Lichtern des Himmels, die zwischen den Bäumen herunterleuchteten, als bildeten sie selber einen alles erfüllenden Lichterbaum. Voller Friede! Nur hin und wieder hörte man das Geheul der Wölfe im Rosebruch.

Die erste Seidenraupenzucht der "Mittelschule" in Celle,

ein glänzender Erfolg.

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Aus dem Leben der Schule

Der neue Jahrgang: Für die unterste Klasse meldeten sich 47 Jungen und 54 Mädchen, darunter sind 17 Jungen und 17 Mädchen vom Lande. - Ueber die Aufnahme entscheidet neben dem Zeugnis der abgebenden Schule eine Prüfung, die im März stattfinden wird.

Aus dem Lehrerkollegium: Der Führer und Reichskanzler verlieh Herrn Mittelschullehrer Hiete als Anerkennung für 40jährige treue Dienste das goldene Treudienst-Ehrenzeichen. - Herr Mittelschullehrer Thiedmann nahm an einem Schwimmlehrgang teil. Dabei erwarb er den Grundschein der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, den Leistungsschein und auch den Lehrschein. Damit ist Herrn Thiedmann die Schwimmlehrbefähigung und das Recht zur Abnahme von Prüfungen für die DLRG zugesprochen. - Der Herr Oberbürgermeister berief in die durch Ausscheiden von Frl. Magdalene Gärtner freigewordene Stelle Fräulein Fox. Marianne Fox, geb. am 29. Januar 1906 in Gotterberg (Schlesien), besuchte das Lyzeum in Clausthal und anschließend das Technische Seminar in Kassel. Sie hat die Lehrbefähigung für Hauswirtschaft, Nadelarbeit und Leibesübungen. Vr ihrer Anstellung in Celle war sie als technische Lehrerin tätig in Vienenburg und Clausthal.

Aus der Schulgemeinde

Verlobt: Martha Steffens und Heinz Severin, Kiel; Leni Schäfer und Hans Genz, Hamburg; Herta Achtermann und Walter Schumann, Braunschweig; Gertrud Grevenkämper und Richard Thiel, Markt Bohrau; Gertrud Bremer und Fritz Heinemann, Schießplatz Unterlüß; Friedel Geitner und Ulrich Gnaust, Stettin; Elisabeth Wempen und Werner Hense, Oldenburg.

Vermählt: Theodor Sommerfeld und Frau Elfriede, geb. Worbis; Herbert Göde und Frau Guschen, geb. Pflug; Karl-Heinz Voß und Frau, geb. Voigt; Heinrich Kerschbaum und Frau Anna-Maria, geb. Schlagbauer; Hans Heinrich Wilkens und Frau Hildegard, geb. Wehner, Braunschweig; Erwin Feld und Frau Karla, geb. Füllberg, Braunschweig; Joachim Wolf und Frau Herta, geb. Kiebold, Frankfurt a. M.; Erich Promolie und Frau Hilde, geb. Grund; Kurt Kruse und Frau Gerda, geb. Schwillus, Königsberg.

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Für den Inhalt verantwortlich: Mittelschullehrer Rieling, Celle
Postvezug 70 Rpf., Botenbezug 50 Rpf. für vier Hefte jährlich.
Druck: Cellesche Zeitung (Schweiger & Pick), Celle.


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